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Kroatien: „Hier gibt es kein Asyl.“ Leid auf der Balkanroute

Ein Reisebericht

Bericht von der Fact-Finding-Mission der Linksfraktion des Europaparlaments (GUE/NGL) in Kroatien und Bosnien (11. bis 14. Dezember 2019). Auf meine Initiative hin unternahmen vier Europaabgeordnete der europäischen Linksfraktion - Malin Björk (Vänsterpartiet, Schweden), Miguel Urban Crespo (Unidos Podemos, Spanien), Özlem Demirel (DIE LINKE.) und ich, Cornelia Ernst (DIE LINKE.) - eine Fact-Finding-Reise nach Kroatien, Slowenien und Bosnien.


Für uns standen zwei Fragen im Mittelpunkt unseres Interesses: Erstens wollten wir den Vorwürfen der Menschenrechtskommissarin des Europarats sowie von NGOs (Border Violence Monitoring Network, Are You Syrious, amnesty international und Human Rights Watch) nachgehen, wonach insbesondere kroatische Polizeikräfte seit Monaten auf brutale, erniedrigende und menschenverachtende Art und Weise systematisch Asylsuchende aufgreifen und illegal auf bosnisches Territorium bringen (‚push-backs‘). Solche kollektiven push-backs allein stellen bereits schwere Verstöße gegen das Recht auf Asyl und den Schengener Grenz-Kodex dar. Gepaart mit der heftigen Brutalität der Aktionen und der bisherigen Straffreiheit werfen sie auch tiefe Zweifel an der kroatischen Rechtsstaatlichkeit auf. Zweitens wollten wir die humanitäre Situation der Menschen untersuchen, die in Folge der kroatischen push-backs in Bosnien-Herzegowina gestrandet sind.


Auf dem Programm standen Treffen mit Geflüchteten, zivilgesellschaftlichen Akteuren wie NGOs und Anwälten, Treffen mit Regierungsstellen in Kroatien und Bosnien, staatlichen Einrichtungen wie der kroatischen Ombudsfrau, internationalen Organisationen wie UNHCR und IOM sowie Besuche vor Ort in verschiedenen Aufnahmelagern und an ausgewählten Grenzpunkten. Die geplanten Treffen mit kroatischen Regierungsvertretern und -Institutionen wurden uns am Vortag der Abreise leider abgesagt. Ebenso wurde uns der Zutritt zu offenen und geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen in Kroatien verwehrt. Es ist absolut unüblich, dass einer Delegation von Europaabgeordneten solche Besuche verwehrt werden und steht im Gegensatz zur Praxis vergleichbarer Besuche, die wir in den vergangenen Jahren nach Griechenland, Italien, Spanien, Deutschland, Serbien und in die Türkei unternommen hatten.


Auf dem Programm stand auch ein Besuch in dem Lager Vucjak nahe der bosnischen Stadt Bihać, in dem seit Mai 2019 bis zu 1.000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen auf einer ehemaligen Müllhalde neben einem Minenfeld untergebracht waren. Dieses Lager wurde zwei Tage vor unserer Reise geschlossen und geräumt.

Wir konnten auf dieser Reise so viele direkte Gespräche mit Geflüchteten führen wie noch nie zuvor. Dabei bestätigten unsere Gesprächspartner mit den Schilderungen ihrer persönlichen Erfahrungen immer wieder, was wir in den Berichten gelesen hatten: In all unseren Gesprächen haben wir keinen Geflüchteten getroffen, der von Polizeigewalt verschont geblieben war. Niemanden, der sie nicht am eigenen Leib erfahren hatte. Nicht nur einmal, sondern sechs Mal, 13 Mal, 100 Mal. Viele Geflüchtete, die es bis nach Slowenien geschafft hatten, wurden von dort wieder an Kroatien übergeben und dann nach Bosnien gebracht.

Die Geflüchteten, die wir getroffen haben, kamen vor allem aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Pakistan, Indien, Ägypten, Algerien und Marokko und sind überwiegend über die Türkei und Bulgarien oder Griechenland in die EU gekommen. Viele wollen nach Italien, Deutschland, Belgien, Frankreich und Schweden, nicht wenige von ihnen wollen Frau und Kinder wiedersehen.
Andere suchen einen Ort, an dem es für sie sicher ist, so zum Beispiel in Slowenien oder Kroatien. Doch die Politik der push-backs und endlos langen, schikanösen Asylverfahren steht dem entgegen. „Hier gibt es kein Asyl“, so zitiert ein Mann einen kroatischen Polizisten, an den er sich gewandt hatte, um einen Asylantrag zu stellen. Und so „stranden“ die Menschen in Bosnien. Von dort sind die Wege in jede Richtung versperrt. Dem versuchen sie immer wieder zu entkommen, trotz aller Gefahren. Das Ausmaß an menschlicher Verzweiflung und Tragik, auf das wir gestoßen sind, übertrifft alles, was ich in zehn Jahren als Asylpolitikerin in der EU gesehen habe.

Kroatien: Polizeigewalt und push-backs

Polizeigewalt gegen Geflüchtete ist in Kroatien alltäglich und wird systematisch ausgeübt. Das haben uns ausnahmslos alle unsere Gesprächspartner bestätigt, zudem ist sie zunehmend Gegenstand der öffentlichen Debatte. Mittlerweile ist es zu etlichen Fällen gekommen, in denen die kroatische Polizei auf Geflüchtete geschossen hat. In mindestens einem Fall wurde in eine Menschengruppe geschossen, so berichten Medien. Dabei hat es sich um eine 60-köpfige Gruppe gehandelt. Ein Opfer wurde in den Rücken getroffen, dadurch schwer verletzt und wird bleibende Schäden davontragen. Von Seiten der Polizei wird behauptet, der Schuss habe sich zufällig gelöst, eine echte konsequente Untersuchung ist bisher nicht angestoßen worden. Dieser Fall ging durch die Medien.
In einem anderen Fall wurde ein Mann, der in Kroatien die Polizei zur Hilfe gerufen hatte und einen Asylantrag stellen wollte, auf den Boden gedrückt und dort für zehn Minuten gehalten. Dabei wurden ihm zwei Rippen gebrochen. Zudem ließ die Polizei ihren Hund in dieser Zeit das Bein des Mannes angreifen. Danach wurde er nach Bosnien gebracht. Die Verletzungen sind in dem Protokoll des Krankenhauses von Bihać belegt.

Neben solchen extremen Ereignissen handelten die individuellen Berichte von Faust- und Stockschlägen, Bedrohungen mit Waffen und Schüssen in die Luft. Besonders Schläge mit Stöcken und geschlossenen Fäusten sind an der Tagesordnung, werden oft reihenweise und zur zusätzlichen Erniedrigung eingesetzt. Auf diese Art und Weise wird das Einfordern von Rechten teils bestraft. Eine NGO, die in Kroatien medizinische Versorgung von Asylsuchenden betreibt, bestätigt, dass die Verletzungen, die sie zu sehen bekommen und im Rahmen ihrer Arbeit dokumentieren, die Gewalt der Polizei widerspiegeln.

Die meisten Fälle von Polizeigewalt finden nicht an der kroatisch-bosnischen Grenze statt, sondern innerhalb des Landes sowie in Nähe der Grenze zu Slowenien. Sie stehen immer im Zusammenhang mit einem push-back, einer illegalen, meist gruppenweisen Abschiebung nach Bosnien. Immer wird die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, verwehrt.

Bosnien-Herzegowina

Unser Besuch in Bosnien-Herzegowina fand in Bihać statt, das nahe der kroatischen Grenze gelegen ist. Es ist der Ausgangspunkt für den kürzesten Weg durch Kroatien nach Slowenien. Die Grenze in dieser Gegend verläuft entlang kleiner Flüsse und Bäche, die Landschaft ist von schroffen Hügeln und Wald geprägt. Im Dezember liegen die Temperaturen tagsüber um und unter null Grad, es liegt Schnee.

Im Verlauf der push-backs werden die Menschen, zumeist nachts oder am frühen Morgen, an irgendwelche Stellen entlang der „grünen Grenze“ gebracht. Oftmals werden ihnen Schlafsäcke, Decken, Mäntel abgenommen, oft auch die Schuhe und Socken, fast immer wird das Smartphone zerstört. Dann werden sie in den Grenzfluss oder Bach gedrängt, teils unter erneuter Gewaltanwendung. In schlimmen Fällen wurde davon berichtet, dass die Polizisten die Geflüchteten einen steilen Abhang hinunter zum Grenzfluss stießen. Ein Mann erzählte uns, dass er am Vortag nach Bosnien „gepusht“ wurde, dabei Geld, Smartphone und Kleider abgenommen bekam und er dann 20 Kilometer durch den verschneiten Wald zur Stadt laufen musste.

Als wir am Samstagmorgen auf dem Weg von Bihać in das 20 Kilometer entfernte Velika Kladusa entlang der Grenze fuhren, sahen wir plötzlich, etwa 500 Meter von uns entfernt, am Waldrand auf der kroatischen Seite des Flusses, drei Polizei-Vans. Gleichzeitig sahen wir neben uns am Straßenrand eine Gruppe von knapp 20 Personen. Sie waren in der Nacht zuvor in der Nähe von Rijeka im Norden Kroatiens aufgegriffen worden und fünf Minuten vor unserem Eintreffen von der Polizei gezwungen worden, den Fluss zu durchqueren. Sie hatten nasse Schuhe und Beine, einige hatten Verletzungen, die einer Behandlung bedurften. Man hatte den meisten ihre Jacken und Decken weggenommen, einigen das Smartphone.

Während wir auf unser Auto warteten, das wir losgeschickt hatten um Wasser und etwas zum Essen zu kaufen, hörten wir immer wieder die Frage: „Aber warum müssen sie uns das antun? Warum behandeln sie uns wie Tiere?“ Einer hatte sie einem kroatischen Polizisten gestellt. „Die EU gibt uns kein Geld mehr, wenn wir euch gehen lassen“, war seine Antwort.

Humanitäre Situation in Bosnien-Herzegowina

Als unmittelbare Konsequenz der kroatischen push-backs hat sich die Gegend um Bihać zu einem Sammelpunkt für Geflüchtete entwickelt. Dies begann im Januar 2018. Seither wurden mehrere Aufnahmeeinrichtungen – Lager – geöffnet, die spätestens seit April 2019 völlig überlaufen waren. Wir haben die IOM-geführten Lager Bira in Bihać und Miral in Velika Kladusa besichtigt. Beide sind in ehemaligen Fabrikhallen untergebracht, die Menschen schlafen in Zelten oder Metallcontainern. In Bira befinden sich 2.064 Menschen, in Miral über 600. Beide Orte sind über ihre Kapazität hinaus belegt.

Bei weitem nicht alle Menschen sind auch registriert, denn Registrierungen sind kaum zu bekommen, da die Lager offiziell voll sind. Die Folge ist, dass nicht alle Anspruch auf Essen haben. In Miral trafen wir in einer Ecke des Geländes auf eine selbstgebaute Gemeinschaftsküche, in der auf Holzscheiten gekocht wurde - von und für diejenigen, die keine Essensmarke haben.

Die hygienischen Bedingungen machen einen schlechten Eindruck. In Miral haben die Duschen keine Brausen und es gibt nur kaltes Wasser. In Bira stehen nur zwei Toilettencontainer zur Verfügung. Es riecht nach Urin. Viele Menschen haben Verletzungen, nur ein Teil wurde behandelt. An beiden Orten schlafen immer wieder Menschen auf dem nackten Betonboden der Hallen. Ortsansässigen freiwilligen Helfern zufolge kommt es in beiden Lagern regelmäßig zu Zwischenfällen, in denen Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes die Geflüchteten mit Stöcken und Tasern verprügeln. In einem Fall haben IOM-Mitarbeiter die Polizei gerufen, um dem Sicherheitsdienst Einhalt zu gebieten.
In beiden Lagern sind ausschließlich Männer sowie unbegleitete männliche Minderjährige und Kinder untergebracht. Insgesamt stranden kaum ganze Familien oder Frauen in Bosnien. In Gesprächen fällt aber auf, dass viele Frauen und Kinder haben, die bereits an sicheren Orten in der EU sind. Förmlich in der Luft spüren kann man die Anspannung und Hoffnungslosigkeit in beiden Lagern. Es fehlt jede Perspektive. Die einzige Chance, der miserablen Situation in Bosnien zu entgehen, ist das „Spiel“ zu spielen, wie der Versuch, über Kroatien in die EU zu gelangen, im Jargon genannt wird.

Keines der beiden Lager nimmt Algerier oder Marokkaner auf. Sie und alle anderen, die nicht in die Lager können oder wollen, schlafen entweder in verlassenen Häusern, im Freien oder können mit Glück einen privaten Vermieter finden - für ein Zimmer oder eine Schlafgelegenheit. In den Innenstädten von Bihać und Velika Kladusa werden Geflüchtete kaum noch toleriert und in vielen Gaststätten nicht bedient. So entstehen Treffpunkte im Freien - in Parks und an Cafés, die jeden bedienen.

Die Polizei ist äußerst rigide. Sie kam zur Ausweiskontrolle, als wir mit Geflüchteten vor solch einem Café sprachen. Die Polizisten blieben noch eine Zeit und stellten sicher, dass wir auf dem Gehweg blieben und nicht auf der Straße standen. (Gerufen hatte sie vermutlich ein Nachbar, der sich von der Anwesenheit der Menschen so sehr gestört fühlte, dass er uns anbrüllte.)
Die Praxis der kroatischen push-backs wirkt sich deutlich auf die Situation der Geflüchteten aus. Nicht nur stranden sie immer wieder aufs Neue in Bosnien, sondern ihnen fehlen Geld, Smartphone, Kleidung und Schuhe, die ihnen abgenommen wurden. Gerade der Verlust des Smartphones lässt sie immer wieder bei null anfangen und bringt sie in eine prekäre Situation: um an Geld zu kommen, muss man Bekannte kontaktieren, das geht ohne Smartphone aber nicht. Dafür, wie auch für Kleidung, braucht man Geld. Wer ihnen hilft, muss damit rechnen, Problemen mit den Behörden zu bekommen.

Freiwillige einer NGO, die Nahrung und Kleidung verteilt, werden regelmäßig von der Polizei kontrolliert und nach ihren Aktivitäten befragt. Ihre Hilfslieferungen werden an der Grenze nicht immer durchgelassen, so dass der Transport in normalen PKW organisiert werden muss. Aber es trifft nicht nur ausländische Helfer. Probleme bekommt auch, wer ein Zimmer an Geflüchtete ohne Papiere vermietet. Dies wird von der Polizei aktiv verfolgt, die nachts Hausbesuche abstattet und die illegale Unterbringung von Geflüchteten mit Geldbußen bestraft.

Die Situation, die wir in der Gegend um Bihać und Velika Kladusa gesehen haben, ist das direkte Resultat der kroatischen push-back-Politik. Die Menschen, die in Bosnien gestrandet sind, sind auf dem Weg in die EU, und sie alle waren auch schon in der EU. Sie sind in Bosnien, weil sie von Kroatien dorthin gebracht wurden, und weil Bosnien kein Nachbarland hat, in das es seinerseits abschieben kann. Die Situation der Geflüchteten in Bosnien ist ein Riesenproblem, aber es lässt sich nicht in Bosnien lösen, sondern zunächst in Zagreb, letztlich aber nur in Brüssel.

Polizeigewalt

Die Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in Kroatien und die brutalen push-backs sind in der Gegend um Bihać auch bei Tageslicht zu sehen. Morgens sind an den Straßen regelmäßig kleine Gruppen von Menschen zu sehen, die gerade aus Kroatien „zurück gepusht“ wurden. Es ist praktisch unmöglich, die unmittelbaren Folgen der kroatischen Politik zu übersehen. Die Aussagen der Geflüchteten sind alle glaubhaft und in überwältigender Mehrheit mit Sicherheit wahr. Alle diese Taten lassen sich als Folter oder erniedrigende Behandlung einstufen.

Diese Sachverhalte werden nur von der kroatischen Regierung und allen Einrichtungen, die sie kontrolliert, bestritten. Im Gespräch mit der stellvertretenden Ombudsfrau in Kroatien berichtet diese uns davon, wie sie seitens der Regierung und der Polizei daran gehindert wird, ihre Untersuchungen dazu durchzuführen. Ihr wird regelmäßig die Inspektion von Polizeiwachen verwehrt, und das, wie sie sagt, in etwa seit dem Zeitpunkt, als die Vorwürfe der Polizeigewalt begannen. Auch ansonsten wird ihr der Zugriff auf Polizeidaten erschwert, mal ist das Passwort, mal sind die Akten verschwunden. Oder die Akten sind nass geworden und müssen gerade getrocknet werden.

Zahlen zur Polizeigewalt konnte uns das UNHCR in Zagreb liefern. Man habe aus den vorliegenden Aussagen von Geflüchteten die glaubwürdigsten ausgewählt und seit 2016 insgesamt 200 „incident reports“, die etwa 2.000 Personen betreffen, an das kroatische Innenministerium gesandt. Dort würden die Berichte allerdings als unglaubwürdig abgetan. Es bedürfe einer unabhängigen Untersuchung der Anschuldigungen, aber darauf wolle sich die Regierung nicht einlassen.
Politisch geht es um die Frage des Schengen-Beitritts Kroatiens. Die EU-Kommission drückt öffentlich die Augen zu und bescheinigt Kroatien, alle Kriterien zu erfüllen. Unser Bericht widerspricht dieser Einschätzung. Hier werden eklatante Menschenrechtsverletzungen begangen. Das Vorgehen ist weder von kroatischem noch von EU-Recht gedeckt. Der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses des Parlaments in Zagreb, der der Opposition angehört, bestätigte uns gegenüber die Praxis der push-backs und beschuldigte FRONTEX, die kroatische Polizei dabei zu unterstützen. Das politische Ziel sei es allerdings nicht, die Wanderung der Menschen komplett zu unterbinden. Es gehe darum, sie zu verlangsamen. Die kroatische Grenzpolizei sei voll aufgerüstet und imstande, die Schengen-Regeln voll zu erfüllen. Man müsse sich also eigentlich nicht von der Kommission mit dem Schengen-Beitritt erpressen lassen. Damit steht der Vorwurf im Raum, dass Kroatien eine Politik ausführt, die von der Kommission und einigen EU-Mitgliedstaaten gewollt ist.

Fazit

Wir haben diese Reise unternommen, um einen Überblick über die Umstände der kroatischen push-backs und der Polizeigewalt zu gewinnen und die humanitäre Situation der Geflüchteten in Bihać in Augenschein zu nehmen. Was wir vorgefunden haben, hat unserer Befürchtungen noch übertroffen. Wir haben Berichte von willkürlicher, sadistischer Gewalt seitens der kroatischen Polizei gehört und die Wirklichkeit von push-backs direkt miterlebt. Wir haben das Elend von Geflüchteten in Bosnien gesehen. Bosnien ist zum Spielball zwischen der EU, Kroatien und den verschiedenen Regierungsebenen in Bosnien selbst geworden.

Dies alles geschieht in einem politischen Rahmen, in dem ein willfähriger EU-Mitgliedstaat - Kroatien - bereitwillig alles tut, um seine Schengen-Vollmitgliedschaft zu erhalten. Dazu wird die härtest denkbare Politik verfolgt, möglichst allen Geflüchteten jeden Zugang zu Asyl in der EU zu verwehren. Dies geschieht unter den Augen der EU-Kommission und der anderen EU-Mitgliedstaaten, die das tolerieren und mit der Schengen-Mitgliedschaft belohnen.

Dabei wird permanent und eklatant EU-Recht und kroatisches Recht verletzt. Die EU-Kommission muss endlich die Fakten zur Kenntnis nehmen, die kroatische Regierung muss sich ihrer Verantwortung stellen. Auf diesen Skandal muss die öffentliche und politische Aufmerksamkeit gelenkt werden. Vereinbarte Regeln und Gesetze müssen eingehalten werden. Die Situation vor Ort sowie die Verstöße gegen Recht und Gesetz sind öffentlich und unabhängig zu untersuchen, die Verantwortlichen müssen ermittelt werden. Denjenigen, die für die Einhaltung von Recht und Gesetz stehen, wie der kroatischen Ombudsfrau, ist der Rücken zu stärken.

Als EU-Parlamentarier*innen wollen wir die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten in die Verantwortung nehmen. Die Kommission darf nicht länger alles ignorieren. Sie muss erklären, wie sie den kroatischen push-backs ein Ende setzen will. Aus unserer Sicht muss offiziell untersucht werden, wie es um die Rechtsstaatlichkeit in Kroatien bestellt ist, wenn in all diesen Fällen die Täter ungestraft davonkommen.

Die Geflüchteten müssen in der EU aufgenommen werden, je schneller desto besser. Die EU ist für die Menschen die einzige Hoffnung, und sie werden diese Hoffnung auch nicht aufgeben, weil der Weg zurück versperrt ist.

Bei allem darf nicht vergessen werden, dass der Hauptgrund, warum Menschen zu Fuß von Griechenland über Bosnien nach Deutschland laufen, das gescheiterte Dublin-System ist. Wir brauchen dringend einen vernünftigen und fairen Mechanismus, durch den Menschen, die in Griechenland ankommen, in anderen EU-Staaten unterkommen können. Nur so können wir das Leid auf der Balkanroute beenden.

Cornelia Ernst und Lorenz Kraemer, 16.12.2019

 

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