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Zwischen Zeuthen und Brüssel - Was war, was kommt?

Lage der Union - Abgeordnetenstatut - Änderung der EU-Verträge - Subventionen für chinesische E-Autos

Eine ereignisreiche Plenarwoche liegt hinter uns. Das zentrale Ereignis der vier Tage in Straßburg war sicher die Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage der Union.

Ich sage es ganz offen: Was die deutsche CDU-Politikerin vor dem Plenum vorgetragen hat, war schon enttäuschend. Ursula von der Leyen hatte keine überzeugende Vision für die soziale und zukunftsfeste Weiterentwicklung der Europäischen Union zu bieten. Sie fand kaum Worte zur dramatischen sozialen Lage von Millionen Menschen in Europa; keine Antwort auf die Frage, wie der Energiekrise und steigenden Lebenshaltungskosten entgegnet werden soll und auch kein Vorstoß, die sogenannte „soft power“ der EU zur Beendigung des Blutvergießens in der Ukraine in die Waagschale zu werfen.

Eine Kritik am Rechtsdrall in mehreren EU-Mitgliedsstaaten fehlte gänzlich – und schon gar nicht am Schulterschluss zwischen Konservativen und Rechten. Was wir in der Bundesrepublik gerade in einigen Ländern sehen – Stichwort die gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD im Thüringer Landtag zur Grunderwerbssteuer – droht zur Blaupause auch für die europäische Ebene und das Europaparlament zu werden. Einer solchen gefährlichen Entwicklung wird sich Die Linke mit aller Kraft entgegenstellen.

Stattdessen holte Ursula von der Leyen die altbekannten neoliberalen Rezepte aus der Schublade: So hat sie eine neue Untersuchung staatlicher Subventionen für chinesische E-Autos angekündigt. Dieser erneut verschärfte Konfrontationskurs der EU-Kommission gegen China ist jedoch ein Irrweg, der uns beim dringlichen Kampf gegen die Klimaerwärmung wertvolle Zeit kostet.

Ja, China investiert in Zukunftstechnologien und grüne Industriezweige. Und dafür gibt es gute Gründe. Denn mit der Klimaerwärmung, aber auch globaler Armut und politischer Destabilisierung steht die Menschheit heute vor Herausforderungen, die nie größer waren. Und auch das sogenannte Anti-Inflations-Gesetz der USA ist ein solcher Schritt in die richtige Richtung, nämlich ein Aufbrechen der bisherigen ordnungspolitischen Wirtschaftsstrategien. Wie also sollte die eigentliche Antwort der EU gemeinschaftlich erarbeitet und ausgestaltet werden? Die konstruktive Antwort der „geopolitischen Kommission“ darauf steht weiter aus.

Ich denke, wir sollten den neoliberalen Zopf der Subventionsverbote endlich abschneiden: Wenn staatliche Unterstützung Verbraucherinnen und Verbrauchern den Zugang zu grüner Technologie erleichtert, den sozial-ökologischen Umbau unserer Industrien und den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen ohne weitere Ressourcenüberdehnung ermöglicht, dann sollten wir Länder, die den grünen Wandel vorantreiben, nicht bestrafen. Vielmehr sollten diese Transformationen nicht im Gegeneinander, sondern in Zusammenwirken und Zusammenführen von Potentialen rund um unseren Globus realisiert werden.

Während von der Leyen also die Chance einer deutlichen Positionierung vor den Europawahlen 2024 verpasste, wird eine andere Entscheidung die Arbeit des Europaparlaments nachhaltig prägen: Ebenfalls am Mittwoch hat eine deutliche Parlamentsmehrheit Änderungen der Geschäftsordnung des Parlaments zur Stärkung von Integrität, Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht zugestimmt. Hintergrund ist das „Katar-Gate“ – ich habe Sie wiederholt über diesen Korruptionsskandal im Parlament informiert, bei dem unter anderem aus Katar große Geldsummen an Abgeordnete und Mitarbeiter:innen geflossen sind, um so Einfluss auf Entscheidungen zu nehmenUnd viele der Vorschläge, die der Ausschuss für konstitutionelle Fragen zur Aufarbeitung des „Katar-Gate“ im Plenum zur Abstimmung vorgelegt hat, tragen eine linke Handschrift.

Der Korruptionsskandal hatte dem Ansehen des Parlaments massiv geschadet. Deshalb verpflichteten wir Abgeordnete uns im Januar dazu, den von Parlamentspräsidentin Metsola vorgeschlagenen und vom Plenum bestätigten 14-Punkte-Plan so bald wie möglich in konkrete Maßnahmen umzusetzen, einschließlich der Überarbeitung der Geschäftsordnung. Der nun beschlossene Bericht zur deren Reform beharrt auf strengeren Regeln, die für eine verbesserte Transparenz der parlamentarischen Arbeit und ein wirksameres Abgeordnetenstatut (Code of Conduct) sorgen sollen. Dazu gehört etwa die Offenlegung aller Treffen mit Lobbyvertreter:innen und eine verpflichtende Vermögenserklärung der Abgeordneten.

Insgesamt ist die Verabschiedung dieses Berichts ein wichtiger Schritt – aber zugleich auch das notwendige Minimum, das gegen die Positionen vieler MdEP von Rechts durchzusetzen war. So wurde der von unserer Linksfraktion eingebrachte Änderungsantrag auf umfassende Informationspflichten und ein Verbot bezahlter „Nebentätigkeiten“ abgelehnt.

Ebenfalls am Mittwoch habe ich die Vorschläge des Europäischen Parlaments zur Änderung der EU-Verträge auf einer fraktionsübergreifenden Pressekonferenz vorgestellt. Der Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten befasste sich am Donnerstag in einer außerordentlichen Sitzung mit dem Berichtsentwurf. Wenn Sie sich für die konkreten Vorschläge interessieren, schauen Sie einfach in die Video-Aufzeichnung des Pressebriefings hinein.

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