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Arbeitnehmerfreizügigkeit

Seit dem 1. Januar 2014 gilt für alle Menschen aus den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit und die volle Dienstleistungsfreiheit. Sie ist als Teil der Personenfreizügigkeit eine der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes der EU neben der Dienstleistungs-, der Waren- und der Kapitalfreiheit. Jede/r ArbeitnehmerIn soll in jedem Mitgliedsstaat Arbeit suchen und aufnehmen können. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Die Realität sieht aber oft anders aus.

Wirkliche Freiheitsrechte erfordern einen Schutzrahmen für die Beschäftigten. Dieser wäre gegeben, wenn gleiche Tarif- und Sozialstandards am gleichen Ort für alle ArbeitnehmerInnen gleichermaßen gelten. Davon kann aber keine Rede sein.

Kern der neuen »EU 2020-Strategie« ist weiterhin die Steigerung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, verschärfte Liberalisierung des EU-Binnenmarkts und die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. Ein wesentliches Element ist dabei der Kampf um die besten Köpfe – nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb Europas. Gleichzeitig geht es mit einem ausgeprägteren Flexicurity-Konzept auch um die dauerhafte Senkung von Tarif- und Sozialstandards.

Bei ArbeitnehmerInnen, die im Rahmen der Freizügigkeit z.B. nach Deutschland kommen, richten sich die Arbeitbedingungen nach den Tarifverträgen (sofern solche im anheuernden Betrieb gelten), gesetzlichen Regelungen und Arbeitsverträgen hierzulande. Es handelt sich dabei nicht um grenzüberschreitende Tätigkeiten.

Eine echte Form der grenzüberschreitenden Tätigkeit ist die Entsendung von Arbeitnehmern. Die Dienstleistungsfreiheit gestattet es Unternehmern, Dienstleistungen in anderen Ländern zu erbringen und hierfür Beschäftigte vorübergehend in diese Länder zu entsenden. Die Arbeitsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer richten sich grundsätzlich nach den Regelungen des Herkunftslandes. Anlässlich der Situation im Baugewerbe wurde die Europäische Entsende-Richtlinie (RL 96/71/EG) verabschiedet. In Deutschland wurde diese Richtlinie als Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) umgesetzt. Sie sieht eine Reihe von Bedingungen vor, die bei der Entsendung eingehalten werden müssen, wie Mindestlohnsätze und Mindestarbeitsbedingungen wie Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit, Nicht-Diskriminierung, Mindesturlaub, Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten.

Die Richtlinie bzw. das Entsende-Gesetz bergen Probleme: Zum einen gelten sie nicht für alle Branchen. Zum anderen sind die Hürden für die Geltung von Mindestbedingungen relativ hoch: Es muss Tarifverträge geben und diese müssen auf Antrag oder durch Rechtsverordnung allgemeinverbindlich erklärt werden – in Deutschland stößt dies auf hohe und komplizierte Hürden. Die Entsende-Richtlinie für grenzüberschreitende Arbeitnehmer garantiert damit keine umfassenden Mindestbedingungen, sondern stellt eher einen »Flickenteppich« dar.

Es gibt in Europa Arbeitnehmer erster Klasse, die gut ausgebildet nach dem Grundsatz 'gleicher Lohn für gleiche Arbeit' bezahlt werden, und es gibt eine Art Kaste der Sklaven und Tagelöhner, die gezwungen sind, für Hungerlöhne in einen anderen EU-Mitgliedstaat entsandt zu werden, um dann noch um festgelegte Mindestlohne betrogen zu werden. Arbeitnehmer müssen Löhne bekommen, die ihnen nach Gesetz und Tarifvertrag zustehen. Wir fordern klare Kriterien für Entsende-Unternehmen und entsandte Arbeitnehmer

Es geht nicht darum, ArbeitnehmerInnen aus andern EU-Ländern oder Drittstaaten fern zu halten, sondern um anständige Arbeitsbedingungen für alle und gute soziale Absicherung. Wettbewerbsvorteile einzig zu Lasten der ArbeitnehmerInnen in Form von Arbeitsplatz-Konkurrenz, Lohn- und Sozialdumping, Ausländerfeindlichkeit und Abschottungstendenzen wären die krasse Folge.

Dringend notwendig ist mehr politischer Druck von links – insbesondere aus Deutschland –, um ein soziales Europa durchzusetzen.

Dringend nötig ist die Durchsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns und die generelle Anwendung von günstigeren Tarifverträgen in allen Branchen. Im Europäischen Parlament konnten wir vereinzelt die Forderung für ein europäisches Mindestlohnniveau durchsetzen. 60% des nationalen Durchschnittsentgelts wären eine gute Messlatte. Ein Tariftreuegesetz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist längst überfällig. Die Einführung einer »Sozialen Fortschrittsklausel« in die Europäischen Verträge, wie sie der Europäische Gewerkschaftsbund zur Sicherung von sozialen Rechten vor den wirtschaftlichen Freiheiten fordert, wäre eine gute europäische Hauptforderung der deutschen gesellschaftlichen Linken.

Ein Europa mit guter Arbeit, von der man eigenständig leben kann, qualifizierten Arbeitsplätzen, Arbeit, die die Gesundheit erhält, mit Löhnen, die mehr sind als die bloße Existenzsicherung, mit guter sozialen Sicherung und dem Schutz und der Sicherung von kollektiven sozialen Rechten ist mittelfristig nur mit anderen Mehrheiten in den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament erreichbar.

Weitere Themen:

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