Menü X

TTIP - Das Freihandelsabkommen EU - USA

Im Mai 2013 haben die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission das Mandat gegeben, mit der US-Regierung Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen zu beginnen. Zuvor hatte sich bereits das Europäische Parlament (EP) mit der großen Mehrheit der Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialisten & Demokraten (S&D) , der Liberalen (ALDE) und der konservativen EU-Kritischen Fraktion (ECR) in einer, allerdings nicht verbindlichen, Resolution für die Verhandlungen ausgesprochen und ihre konkreten Vorstellungen über Art und Inhalt der Verhandlungen artikuliert.

Mehrheitlich hatte sich das EP dabei unter Reaktion auf den Druck der LINKEN., Grünen und Sozialdemokratischen aber auch einiger konservativer Mitglieder des EP (MdEP) für den Ausschluss des audio-visuellen Sektors aus dem Verhandlungsmandat ausgesprochen, einer Linie, der sich später auch der EU-Rat unter Druck Frankreichs anschloss.

Weitergehende "Rote Linien" für die Verhandlungen, wie von der GUE/NGL und anderen gefordert, wurden nicht eingezogen. Mit dieser ersten umfangreichen Stellungnahme des EP zur beabsichtigten Aufnahme der Verhandlungen war eine Antwort auf die Vorstellung der Ergebnisse einer zweijährigen Sondierungs- und Vorbereitungsphase der EU-Kommission und der USA-Aministration für die Aufnahme von Freihandels-Verhandlungen in einer gemeinsamen "Hochrangigen Arbeitsgruppe für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum" gegeben. Das Parlament forderte über die Verhandlungen maximale Transparenz, kontinuierliche umfangreiche Information und Einbeziehung aller betroffenen "Stakeholders in den Prozess.

Dieses Abkommen soll das umfassendste bilaterale Handel- und Investitionsabkommen werden, das es auf der Welt je gegeben hat. Es soll einen gemeinsamen transatlantischen Wirtschaftsraum begründen und zielt deshalb weit über die Absenkung fast aller bestehenden Einfuhrzölle auf "Null" hinaus auf die Angleichung oder wechselseitige Anerkennung von Regeln oder Gesetzen, die dem Handel im Wege stehen könnte, als seinem zentralen Kern.

Betroffen davon werden quasi alle Lebensbereiche; und diese transatlantische Wirtschaftspartnerschaft soll zugleich auf der bisherigen Produktions- und Konsumtionsweise und geltenden marktliberalen Prinzipien einen Weg zur Bewahrung der Dominanz der EU-und US-Binnenmärkte und der in ihnen agierenden Unternehmen in einer immer komplexeren und multipolareren Globalen Wirtschaft aufzeigen.

Mit dem TTIP geht es um Vorschriften für die Qualität von Lebensmitteln, um Hormonfleisch, um genetisch verändertes Saatgut, um Pestizidgrenzen, um die Zulassung von Medikamenten, um Tierversuche, um Ursprungsregeln und Handelsmarken, um technische Standards für die Produktion aller Industriegüter, um Textilienkennzeichnungen, um Tierschutz in der Landwirtschaft, um die Zulassung von Chemikalien und Kosmetika, um die Zulassung von Finanzprodukten, um Datenschutz und Datenhandel, um die Anerkennung von Berufsqualifikationen, um die Liberalisierung von Dienstleistungen und deren Erbringen, um die Liberalisierung der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Beschaffungswesens.

Im Rahmen des Abkommen soll zudem ein neuer transatlantischer Regulierungsausschuss geschaffen werden, der künftige Gesetze überprüfen können soll, ob sie etwa neue Handelshindernisse enthalten. Die Verhandlungen finden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Fast alle wichtigen Dokumente sind als geheim eingestuft. Die EU Kommission behauptet, das Abkommen würde in der EU fünf Prozent Wirtschaftswachstum und zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen.

Tatsächlich sagt selbst ein Autor der entsprechenden Münchener IfO- Studie, dies sei ein optimistischer Wert und über zehn Jahre gerechnet, also höchstens 0,5 Prozent Wachstum pro Jahr zum Preis eines weitgehenden Aushebelns von Demokratie und eines potentiellen in Frage Stellens höherer Standards im Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutz gerade in der EU aber auch von strikteren Regeln der Kontrolle der Banken und Finanzdienstleistungen auf US-Seite. Auch eine Bertelsmann-Studie führt wie weitere Studien und wie für jedes Handelsabkommen obligatorische Folgenabschätzungs-Gutachten der EU- Kommission ähnliche Zahlen und Prognosen für die Positiv- Begründung der Verhandlungen an. Das EP und einzelne Ausschüsse haben jetzt eigene Gutachten und Analysen in Auftrag gegeben, um selbst realere Vorstellungen über die Auswirkungen des geplanten Abkommens auf die den Handelsaustausch, v.a. aber auf die volkswirtschaftlichen Entwicklungen in allen 28 Mitgliedstaaten, den EU- Binnenmarkt und auf den internationalen Handel insgesamt zu gewinnen.

Nach Abschluss der Verhandlungen müssen das EP und der EU-Rat das Abkommen ratifizieren, voraussichtlich aber auch die nationalen Parlamente.

Die Abgeordneten der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament lehnen die Verhandlungsziele des Freihandelsabkommens EU-USA ab. Wir haben im Europäischen Parlament gegen die völlig unkritische Resolution gestimmt, mit der die großen Fraktionen den Beginn der Verhandlungen begrüßt haben. Die Delegation der LINKEN. hat ein Interesse daran, mit Gewerkschaften, Bauern- und Verbraucherschutzverbänden auf beiden Seiten des Atlantiks an gesetzgeberischen Initiativen zur Verbesserung der Standards im Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltschutz zu arbeiten und diese auch verbindlich vertraglich zu regeln. Den Versuch z.B. der Pharmaindustrie und anderer einflussreicher Industrieverbände und Großkonzerne wie Monsanto, durch ein Freihandelsabkommen bestehende Standards zu unterwandern, lehnt die Delegation entschieden ab.

Das Vorhaben der Kommission und einiger Regierungen, durch die Einsetzung eines Regulierungsausschusses künftige parlamentarische Entscheidungen über verbesserte Gesetzgebung zu verhindern oder zu umgehen, wertet die Delegation als Angriff auf die Demokratie. Gefordert wird von uns die eindeutige Einhaltung bisheriger gesetzlicher,  verfassungsrechtlicher und demokratischer Teilhabe unterliegender Gesetzgebungsarbeit- und Regelsetzung.

Die geplante Verankerung eines Konzernklagerechtes (ISDS) gegenüber Regierungen (wie bereits im EU-Kanada Freihandels-Abkommen) geht in dieselbe Richtung und soll politischen Handlungsspielraum verhindern; zudem werden gerichtliche, Berufungsverfahren ermöglichende Urteilsfindungen unterlaufen.

Eine Studie des EPs ist zu dem Schluss gekommen, dass durch dieses Abkommen und insbesondere durch das Konzernklagerecht Errungenschaften der EU im Umwelt- und Gesundheitsschutz massiv gefährdet seien. Vor dem Hintergrund des NSA-Abhörskandals, in dem noch immer jede Woche neue Exzesse der Überwachung bekannt werden, fehlt eine für Verhandlungen notwendige Vertrauensgrundlage, um mit der US-Regierung die Gespräche fortzusetzen. Die bisherige Weigerung der Kommission, unter Hinweis auf entsprechende USA-Positionen, keinerlei  Verhandlungsdokumente der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, über die die amerikanische Seite jedoch sicher längst Bescheid weiß, erhält angesichts des Ausmaßes der Spionagetätigkeit absurde Züge. Besorgniserregend ist, dass im Rahmen der Verhandlungen bereits heute massiv Einfluss auf neue zentrale Gesetzgebungsprozesse der EU genommen wird, darunter in den Bereichen Datenschutz und Verbraucherschutz.

Auch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise in der EU wird genutzt, um Bedenken und Kritik gegen das TTIP-Abkommen mit Versprechen von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen zu begegnen und die vorgesehenen weitreichenden Ziele hinsichtlich der Wirtschaftspartnerschaft zu verkaufen. Selbst die EU-Kommission räumte vor dem Agrarausschuss des EPs ein, dass es vor 10 Jahren noch undenkbar gewesen wäre, mit den USA beispielsweise über landwirtschaftliche Erzeugnisse zu verhandeln.

Weitere Themen:

Arbeitszeit

Gute Arbeit

Freihandelsabkommen EU-Kanada

Klimaschutz

Konzernklagerecht

Soziale Mindeststandards

Tierschutz

Umweltpolitik

 

 

Aktuelle Link-Tipps

  • Begleitung der Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie
  • EU-Fördermittel
Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL)